Freitag, 24. November 2017

"Das letzte Königreich": Ahistorischer Wikinger-Trash geht in die zweite Runde

Dass mir die TV-Verfilmung von Bernard Cornwells Uhtred-Romanen bereits ab dem Zeitpunkt missfiel, als der erste Trailer einen Vorgeschmack lieferte, haben ja sicher einige Blogleser im Vorjahr mitbekommen. Zwischenzeitlich ist die zweite Staffel von "Das letzte Königreich" angelaufen und ich zog es vorsichtig in Erwägung, dass hinsichtlich der von mir stark bemängelten Ausstattung eine Verbesserung eingetreten sein könnte. Freilich, diese Annahme zeigt nur, wie naiv ich gelegentlich bin 😉. 
Doch jeder sollten sich selbst ein Bild anhand der folgenden Screenshots machen. Zuvor möchte ich aber noch in Erinnerung rufen, dass "Das letzte Königreich" angeblich im angelsächsischen England bzw. zur Zeit der großen Wikinger-Invasion im späten 9. Jahrhundert spielt ...

Griff in die falsche Kostümkiste. "Die Tudors" laufen auf einem anderen Kanal. Und als ob das nicht schlimm genug wäre, trägt der Held sein Schwert auch noch am Rücken ... Ein blödsinniges Fantasy-Klischee... | Bildzitat: (C) BBC America

Schulterfreies, ärmelloses 'Abendkleid': Dergestalt wären im 9. Jh. wohl nicht einmal Prostituierte in aller Öffentlichkeit herumgelaufen. | Bildzitat: (C) BBC America

Welche krassen Substanzen mag der zuständige Designer geraucht haben, als er diesen Aufzug entwarf? | Bildzitat: (C) BBC America

Wenn sich Haarschnitt und Kleidung punkto Dämlichkeit um den ersten Platz streiten | Bildzitat: (C) BBC America

Ohne Worte |  Bildzitat: (C) BBC America

Lächerlicher Lederfummel ohne echte Schutzfunktion. So kleidet sich höchstens eine Domina, wenn sie ihrer unartigen Kundschaft den Hintern versohlt. | Bildzitat: (C) BBC America

Herr der Ringe? Game of Thrones? Jedenfalls nicht das 9. Jh. | Bildzitat: (C) BBC America

Afrikanische Steckstühle - in der Realität angeblich genutzt, um Schwangeren die Geburt zu erleichtern ... | Bildzitat: (C) BBC America

Auf die ungebrochene Ignoranz der Kostümdesigner muss man nicht weiter im Detail eingehen. Es ist allzu offensichtlich, was für einen abgrundtiefen Schund nicht nur die Kleidung in historischer Hinsicht darstellt. Spätestens beim Anblick der afrikanischen (!) Steckstühle klappt einem fassungslos der Unterkiefer nach unten. Als Seher meint man sich hier weniger in die Zeit der Wikinger versetzt, sondern eher auf einen drittklassigen Mittelaltermarkt oder in einen trashigen Mad-Max-Film der 1980er-Jahre. Dass hier essentielle Bedeutungsträger - die eine bestimmte Epoche erst originär erscheinen lassen - ohne Not geopfert wurden ist bedauerlich, gleichzeitig aber auch wenig überraschend. Schließlich zählen Film-Heinis entgegen ihrer Selbstwahrnehmung nicht gerade zur intellektuellen Crème de la Crème, sondern treiben vielmehr - Major Tom nicht unähnlich - von der (historischen) Realität völlig losgelöst durch ihre selbstkreierten Fantasie-Blasen.

Schlimmer als dieses vorhersehbare Totalversagen der Produzenten will mir mittlerweile erscheinen, dass es auch dem Autor der Romanreihe völlig egal ist, in welchem Ausmaß sein Werk optisch auf Ramsch-Niveau hinuntergezogen wird. Und das obwohl er doch ohnehin längst finanziell ausgesorgt hat - also ein Serien-Projekt wie dieses einfach ablehnen könnte, wenn die Produzenten nicht den Willen zu wenigstens einer halbwegs authentischen Darstellung erkennen lassen. Doch leider, Herrn Cornwell dürfte die Penunze wichtiger als die Vermittlung eines glaubwürdigen Geschichtsbildes sein. Daher wird er es sich gefallen lassen müssen, zukünftig nicht mehr nur als "England's greatest story teller" bezeichnet zu werden, sondern auch als geldgeiler Förderer filmischer Volksverblödung. Denn mit dem Attribut "historisch" versehene TV-Serien wie diese sind Multiplikatoren, die völlig falsche Vorstellungen - sogenannte Faktoide - in die Köpfe vieler Zuseher pflanzen.

Übrigens, eine weitere beliebte Romanreihe Cornwells - nämlich die über Richard Sharpe - wurde bereits in den 1990ern verfilmt. Dazumal war die Kostümierung der Darsteller wesentlich qualitätvoller. Was aber nicht daran gelegen haben dürfte, dass die Filmemacher vor rund zwei Jahrzehnten noch mehr Hirn besaßen bzw. um mehr Authentizität bemüht waren. Nein, vielmehr war die Handlung der Sharp-Reihe in der napoleonischen Zeit angesiedelt. Und jede Epoche wird von Hollywood und Co. in Sachen Ausstattung ernster genommen als das Mittelalter 😒.

Es bleibt der Trost, dass sowohl die Uhtred-Reihe wie auch die Sharpe-Reihe als Hörbücher mit jeweils einem ausgezeichneten Sprecher angeboten werden. Wer braucht da zwecks gelegentlicher Zerstreuung noch strunzdumme TV-Serien? Ich jedenfalls nicht.


3 Kommentare:

  1. Die Serie ist wirklich der absolute Müll. Und zwar trifft das jetzt nicht nur auf die Kostüme zu , sondern auch auf die Handlung. Die Drehbücher weichen meilenweit von der romanvorlage ab. Die Geschichten werden dadurch teilweise komplett unlogisch .
    Nur für absolut abgestumpfte Couchpotatoes geeignet.

    [Radolf]

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  2. Erschreckend, wie extrem unauthentisch die Kostüme sind. Es stimmt ja eigentlich fast nichts mit den geschichtlichen Fakten überein. Ich hätte mir nicht gedacht, dass so etwas heute noch möglich ist, bei all den guten Recherchemöglichkeiten im Internet. Das kann deshalb nicht einfach nur Schlamperei der Kostümverantwortlichen sein, sondern das ist schon regelrecht Bösartigkeit, wie hier mit Geschichte umgegangen wird.

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  3. Selbst mit dem Hauptdarsteller ("Uhtred") ist nicht viel los. Auch in diesem Fall gar kein Vergleich zur Sharp Serie mit Sean Bean.
    Zum Glück hat der Verlag für die Sharp Hörbücher Sean Beans originalen Synchronsprecher engagiert. Der Mann ist sprachlich ein echter Könner!
    LG,
    Erwin

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