Dienstag, 3. März 2015

Buch: Briefe an den Bruder Quintus - oder: Römisches Alltags-Allerlei

Nach der Ermordung des berühmten römischen Politikers und Redners Marcus Tullius Cicero hatte man unabhängig voneinander Teile seiner Korrespondenz in zwei für die Forschung bedeutsamen Büchern veröffentlicht: Briefe an (den Freund) Atticus und Briefe an den Bruder Quintus. Letzteres Buch, aus dem ich vergangene Woche bereits einige interessante Zeilen zitiert habe, soll hier nun besprochen werden.

Der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden die Briefe an Quintus möglicherweise von Ciceros Sekretär Tiro - dem Erfinder der Tironischen Noten. Da dieser seinem ehemaligen Herren in großer Dankbarkeit verbunden war, darf man annehmen, dass er aus den damals noch vorhandenen Schreiben vor allem jene auswählte, die Ciceros Andenken und Nachruhm nicht beschädigen konnten. Völlig gelungen ist dies freilich nicht; z.B. weist Cicero seinen Bruder mehrfach darauf hin, dass man sich bei unsympathischen aber einflussreichen Personen lieb Kind machen müsse, um Ansehen und Einfluss zu wahren. Diese mitunter opportunistische Haltung umschreibt er ironisch mit den Worten: Ich bin sanfter als ein Ohrläppchen. Auch seine starke Anbiederung an Caesar wirkt auf den heutigen Leser eher befremdlich.
Neben politischen Fragen wird in den Briefen auch viel Privates erörtert, was uns einen lebendigen Einblick in das römische Alltagsleben ermöglicht. Wir erfahren etwa, dass die Säulen in Ciceros neuem Haus abgerissen werden mussten, da sie weder in Reihe, noch senkrecht standen. So viel also zur viel gerühmten Baukunst der Römer ;)
Weiters geht aus dem Schriftverkehr hervor, dass offensichtlich bereits in der Antike gerne über das Wetter geplaudert bzw. geschrieben wurde; beispielsweise wird eine Senatssitzung im Februar erwähnt, die wegen extremer Kälte abgebrochen werden musste, wohingegen Cicero im folgenden Sommer meint, er habe in seinem ganzen bisherigen Leben noch keine so große Hitze erlebt. Wie viele andere reiche Bürger floh er vor dem allzu heißen Rom meist aufs Land und bereiste seine italischen Güter. Gelegentlich besuchte er auch die Besitzungen seines Bruders, um dort in dessen Abwesenheit nach dem Rechten zu sehen. Überhaupt scheinen die beiden Ciceros eine große Zuneigung füreinander empfunden zu haben. Dementsprechend offen und ungekünstelt wirkt nahezu der gesamte Briefwechsel.

Der deutsche Text dieser Ausgabe stammt von Ursula Blank-Sangmeister, die zusammen mit Marion Giebel und Marieluise Deissmann sozusagen jenes weibliche Dreigestirn bildet, dass bei Reclam für die vermutlich leserlichsten Übersetzungen verantwortlich ist. Ein Nachwort (man sollte es zuerst lesen!), zahlreiche Endnoten mit Zusatzinformationen, ein Glossar und Literaturhinweise vervollständigen das  Buch.

Fazit: Wer sich nicht nur für Marcus Tullius Cicero - einen der herausragendsten Männer der römischen Geschichte - interessiert, sondern auch für Politik und Alltagsleben des späten republikanischen Roms, bekommt mit diesem Buch eine feine und flüssig geschriebene Quelle an die Hand. Der Kaufpreis beträgt rund 5 Euro.
Abschließend der übliche Hinweis, dass für den schlechten Einband dieser Reclam-Bücher eigentlich ein Punkt abgezogen werden müsste.

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