Freitag, 18. Juli 2014

Mein Ausflug zum Archäologischen Park Carnuntum

Die Stadt Carnuntum (Provinz Pannonia Superior / heute Niederösterreich) zählte aufgrund ihrer geographischen Lage an der Donaugrenze und der Bernsteinstraße unzweifelhaft zu den bedeutenderen Siedlungsplätzen des Römischen Reichs. Marcus Aurelius schrieb hier während den Markomannenkiregen an seinen "Selbstbetrachtungen" und im Jahr 308 war die damals ca. 50 000 Einwohner zählende Stadt Schauplatz einer bedeutenden Kaiserkonferenz. Nach ihrem Untergang im späten vierten und fünften Jahrhundert geriet sie weitestgehend in Vergessenheit. Ihre umfangreichen Überreste werden allerdings seit dem 18./19. Jh. archäologisch erforscht. Eine Besonderheit stellt hierbei der Umstand dar, dass die Ruinen Carnuntums - im Gegensatz zu den meisten anderen größeren Städten des Römischen Reichs - in den Jahrhunderten nach dem Nieder- bzw. Untergang kaum überbaut wurden.
Nun war ich vor einigen Tagen "zufällig" in der Nähe von Wien unterwegs und nutzte diese Gelegenheit für einen Besuch des Archäologischen Parks Carnuntum, wo man es sich zur Aufgabe gemacht hat, die einstige Metropole zumindest in Ansätzen durch aufwendige Rekonstruktionen wiederauferstehen zu lassen.
(Viele weitere Fotos in hoher Auflösung finden sich übrigens bei Flickr. Die genaue Lokalisierung der einzelnen Motive ist anhand dieser Karte möglich; das meiste sollte von mir richtig eingetragen worden sein).


Das moderne Eingangsgebäude des Museums.

Ein Eintrittspreis, bei dem man wirklich nicht meckern kann :)  Da ich allerdings nicht zu den Berufsjournalisten gehöre - welche mit derlei Bonbons geradezu überschüttet werden (Stichwort "Journalistenrabatt") - verschweige ich eine solche Vergünstigung selbstverständlich nicht.
Zu diesem Preisnachlass, für den ich mich recht herzlich bedanke, kamen ich und meine Begleitung quasi wie die Jungfrau zum Kind. Auf die per E-Mail gestellte Frage, inwieweit die vor Ort gemachten Fotos überhaupt in meinem Blog veröffentlicht werden dürfen (vorab war diesbezüglich Widersprüchliches zu vernehmen), erhielt ich nicht nur innerhalb von Minuten einen positiven Bescheid, sondern auch gleich das freundliche Angebot, für mich an der Kasse "Pressekarten" bereitlegen zu lassen.
Der unterprivilegierte Normalbürger bezahlt 11 Euro Eintritt, die Teilnahme an einer Führung kostet nochmals 3 Euro. Menge und Qualität des Angebots rechtfertigen diesen Preis allerdings durchaus. Alleine das Freilichtmuseum ist ein echtes Erlebnis. Zusätzlich gelangt man mit der Eintrittskarte auch noch in das Museum Carnuntinum sowie in das Amphitheater im benachbarten Bad Deutsch-Altenburg 

Dieses Model vermittelt sehr anschaulich auf welch großer Fläche sich im 4. Jh. die römische Stadt Carnuntum, zwei Militärlager und eine weitere Siedlung (canabae) ausdehnten: 
1. Gräberfeld | 2. Thermen | 3. Tempelbezirk | 4. Legionslager | 5. Amphitheater | 6. Campus | 7. Hilfstruppenkastell | 8. Statthalterpalast | 9. Stadt (municipium) Carnuntum | rechts befindet sich die Donau

Die eigentliche Stadt (municipium) Carnuntum im 4. Jh. Rot markiert ist die ungefähre Lage der rekonstruierten Gebäude.

Römische Therme, errichtet auf antiken Grundmauern. Sie entspricht - so wie die anderen Rekonstruktionen - weitestgehend dem baulichen Zustand des 4. Jahrhunderts

Links ist hier nochmals die Therme zu sehen; rechts befindet sich ein mit Apsis versehener Festsaal - siehe die weiß getünchte Halbkuppel. 

Der mit Apsis bzw. Halbkuppel versehen Festsaal einer spätantiken Villa urbana. Die alten Römer hätten übrigens alles verputzt. Da allerdings die Verantwortlichen auf ihre Kuppel-Rekonstruktion besonders stolz sind, unterließ man dies hier - und leider auch anderenorts.
Kalkputz hemmt im Gegensatz zu vielen modernen Farben übrigens Schimmelbefall. Vor allem in Innenräumen ist dies ein begrüßenswerter Effekt, der eventuell auch den Römern nicht entgangen ist und sie veranlasste Steinmauern grundsätzlich zu verputzen oder zumindest mit einer dünnen Schicht Kalk zu tünchen.

Der Dachstuhl des Festsaales, in dem Schwalben oder ähnliche Vögel hausen (ich bin leider kein Ornithologe) und die schöne Wandbemalung mit ihrem Kot besudeln. Allerdings ist es durchaus ein spannendes Erlebnis, wenn diese Tiere an einem vorbei durch Türöffnungen und Korridore schießen. 

Das Badehaus und links ein vorgelagertes Gebäude mit Portikus. Die Anlage macht einen sehr gepflegten Eindruck. Während unseres Besuchs war man beispielsweise gerade damit beschäftigt, zwischen antiken Mauerzügen Unkraut zu jäten.

Das leider unverputzte Badehaus aus der Nähe. Die wilhelminische Saalburg lässt grüßen, wobei man es damals - im Gegensatz zu heute - einfach noch nicht besser wusste. 
Mit diesen Unmengen an Sichtmauerwerk wird dem unbedarften Besucher aus bauhistorischer Sicht ein reichlich fragwürdiger Eindruck vermittelt. Sinnvoller wäre es eventuell gewesen, lediglich kleine Flächen - Fenstern gleich - frei zu lassen. Diese hätte man relativ plausibel als scheinbar abgeplatzten Putz interpretieren können. 

Obergeschoss und Dach des dem Badehaus vorgelagerten Gebäudes.

Eine ausgedehnte Portikus, welche den Fußgängerweg überdacht. Es gab im antiken Rom zum Teil sogar Gesetze, die solche Überdachungen vorschrieben.  Man beachte hier übrigens den korrekten Verputz.

Eine auf die Wand gepinselte Werbebotschaft, wie man sie in Pompeji hundertfach fand. In diesem Fall wird auf Tierhatzen (venationes) und Gladiatorenspiele im Amphitheater von Carnuntum hingewiesen. Wer sich erinnert - ich habe im Vorjahr damit begonnen, die Wände meines Schlafzimmers ähnlich zu ver(un)zieren ;) Über das Endergebnis sollte ich wohl endlich einen Beitrag schreiben...

Küche und vermutlich eine Art Backofen. Infotafeln gibt es in den Gebäuden übrigens nicht. Wie uns unser Führer - ich bin mir der Problematik dieses Begriffs durchaus bewusst ;) - mitteilte, soll dadurch der authentische Gesamteindruck nicht getrübt werden. Sehr löblich, allerdings ... (siehe nächste Bild)

Einerseits auf Hinweistafeln zu verzichten, da diese vom Besucher als wenig authentische Fremdkörper empfunden werden könnten, andererseits aber die Decke der Therme mit modernen Lampen auszuleuchten, erscheint mir wenig konsequent. Freilich, es wäre schade, wenn bei schwachem Tageslicht die schöne Deckenbemalung schlecht zu erkennen wäre. Doch bestünde nicht die Möglichkeit, die Scheinwerfer wirklich nur dann einzuschalten bzw. mittels Dimmer sanft einzublenden, wenn dies unbedingt angeraten erscheint? Eine Automatisierung mittels Lichtsensoren dürfte keine Hexerei sein. 

Schön gestalteter Vorraum der Therme - wohl ein Apodyterium oder etwas in der Art.

Ein römisches Bett (lectus cubicularis). Die Matratze (Decke?) liegt nicht auf einem Lattenrost, sondern auf kreuz und Quer gespannten Ledergurten. Links im Bild ist ein Nachttopf zu sehen. 

Eine Art Hausaltar (Lararium), dessen Motiv mich an irgend etwas erinnert... was war das noch..., ach ja! ;) Klick mich

Vorraum des sogenannten "Haus des Lucius".

Die an Stückpforten erinnernden Fensterluken beim "Haus des Lucius".

Die berühmten römischen "Gemeinschaftslatrinen". Selbstverständlich ließ ich mir ein Probesitzen nicht nehmen - allerdings ohne die Hose runter zu lassen :)

Römische Graffitikunst am Stillen Örtchen. Hier zwei Gladiatoren, wie sie in ähnlicher Weise auch auf Hauswänden in Pompeji entdeckt wurden.

Fazit: Wie ich hoffentlich vermitteln konnte, ist der Besuch von Carnuntum ein lohnendes Erlebnis. Das hier und bei Flickr gezeigte Material spiegelt freilich nur einen Teil des reichhaltigen Angebots wieder. Mehrere Veranstaltungen pro Jahr, bei denen Living-History-Gruppen wie Gentes Danubii für eine zusätzliche Belebung der Anlage sorgen, locken immer wieder ein großes Publikum an. So bestimmt auch am 23. und 24. August, wenn Gladiatorenspiele auf dem Programm stehen. Wobei dieser Themenschwerpunkt kein Zufall ist, denn Carnuntum verfügt nicht nur über zwei Amphitheater. Vor einigen Jahren wurde von Archäologen zusätzlich eine große Gladiatorenschule entdeckt, welche die Fachwelt begeistert (Video einer Computer-Rekonstruktion).

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Literatur-Tipp:
  • Franz Humer | Carnuntum: Wiedergeborene Stadt der Kaiser | Verlag Philipp von Zabern | 2013 | Infos bei Amazon

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11 Kommentare:

  1. Ganz toll! Erinnert mich an die Villa Borg, nur in größer und schöner (*neid*). Der "vermutlich eine Art Backofen" ist in der Tat einer. Wir haben einen ganz ähnlichen selbst gebaut (nur ohne "Unterhitze" ^^ ) und darin schon öfters leckeres Brot gebacken.
    Du hast wirklich einen schönen Tag gehabt bei perfektem Wetter, das sieht man deinem bericht an :)

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    1. Danke, mit dem Wetter hatten wir wirklich Glück, obwohl mir 28 Grad Celsius normalerweise bereits zu viel sind. Ich bin da wie die Germanen von Tacitus, der meinte, sie vertrügen zwar Kälte und Hunger, aber keine Hitze und Durst.
      Da aber in der Gegend von Carnuntum meistens ein Lüftchen weht, habe ich die Temperaturen ausnahmsweise nicht als unangenehm empfunden. Und in den Häusern ist es ohnehin kühl - das beheizte Badehaus ausgenommen, in dem man beinahe einen Hitzschlag bekommt - zumindest im Caldarium, das mir eher wie ein Sudatorium erschien...

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    2. An dem Ofen könnte sich der Campus Galli ein Beispiel nehmen. Kein neumodisches Ofenrohr, sondern alles solide gemauert.

      Wunderbare Eindrücke übrigens!

      Grüßle,
      Maria

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  2. Das sieht wirklich sehr schön aus, da bekomme ich richtig Lust mich ins Auto zu setzen um mit der Familie hinzufahren!
    Finde ich übrigens gut, dass du das mit dem Presserabatt erwähnt hast. Journalisten verschweigen das grundsätzlich, weil ihnen dann endgültig niemand mehr über den Weg trauen würde. Dass du dir deinen kritischen Blick nicht trüben lässt, sieht man andererseits sehr gut an diesem differenzierten Bericht. Danke dafür!
    LG,
    Erwin

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  3. Wie sieht der Wohnungsmarkt in Carnuntum aus? Bin auf Wohnungssuche und könnte mir vorstellen dorthin zu ziehen. Schön wär's. wenn dort noch Latein gesprochen würde; aber daß ich kein Muß. Kann auch deutsch. Eine Stadt ohne Autoverkehr habe ich schon immer gesucht. Darf man denn in Carnuntum mit dem Rad fahren?

    Vielen herzlichen Dank für diese Schilderung und das Blog überhaupt.

    Schöne Grüße aus römerfreiem Gebiet

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    1. "Eine Stadt ohne Autoverkehr habe ich schon immer gesucht. Darf man denn in Carnuntum mit dem Rad fahren?"

      Ob mit dem Fahrrad gefahren werden darf, weiß ich leider nicht. Allerdings ist auf dem Gelände ein kleines aber sportliches Golfwägelchen durch die Gegend geschossen.

      Da Carnuntum an der Grenze zum germanischen Barbaricum lag, verstehen die Bewohner sicher auch ein paar Brocken Germanisch.

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  4. So ein detailreicher Nachbau ist wirklich ganz etwas anderes als diese bröckelnde Fundamentreste, wie man sie in den meisten Freilichtmuseen zu sehen bekommt!! Wenn Carnuntum nur nicht so elend weit von Kiel entfernt wäre ....
    Diddi

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    1. Ja, diese Form der Wissensvermittlung ist ungleich attraktiver, als den Besuchern lediglich Ruinen vorzusetzen - oder, wie es neuerdings immer mehr Unsitte wird, nicht einmal mehr das, sondern die Gebäudereste mit Erde zuzuschütten um sie dann oberirdisch mit irgendwelchen rostigen Stahlelementen zu markieren.

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  5. Erwähnenswert in Carnuntum ist auch, dass alle Küchen, also der neben der Therme gelegenen als auch die des Lucius Hauses praktisch benützbar sind, also voll funktionsfähig sind. Ich persönlich finde die nicht Verputzung mancher Bereiche alles andere als störend - hab als Kind noch den Vergleich kennengelernt, wo nur Ruinen standen, und schlussendlich stehen ja die bautechnischen Themen auch im Mittelpunkt von Carnuntum. Die Beleuchtung in der Therme hat wohl auch damit zu tun, dass hier immer wieder Veranstaltungen - auch abends - stattfinden, empfand das bei unserer Darstellung aber nie als störend. Lieber indirekte Beleuchtung als direkte wie man es anderorts auch findet! Bei Gentes Danubii auf der Website finden sich in der Galerie viele Fotos der Belebungen/Römerfeste zur Verbildlichung wie das ganze belebt aussähe.

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  6. tolle bilder, carnuntum ist ein echter leckerbissen! chris

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